Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 2. Adventssonntag Lesejahr: B

Den Weg zur unendlichen Liebe Gottes neu entdecken

„Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht! Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an; setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt! Denn Gott will deinen Glanz dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen“, heißt es in der ersten Lesung, die wir gerade gehört haben.  Als ich bei der Vorbereitung dieser Predigt diese Worte las, dachte ich, „Wie passend sind sie für uns in diesen schwierigen Zeiten!“

Lassen Sie uns zuerst einmal die Situation der damaligen Israeliten betrachten, die durch den Propheten Baruch diesen Zuspruch Gottes erhielten. Sie lebten als Verschleppte fern von ihrer Heimatstadt Jerusalem. Im Exil waren sie in tiefe Schwierigkeiten geraten, weil sie das Wichtigste, was sie als Volk Gottes ausmachte, verloren hatten, ihre Heimatstadt Jerusalem. Sie hatten alle Hoffnung aufgegeben, dass es ihnen wieder gut gehen könnte. Dann sprach Gott ihnen sein Wort zu: jede Trauer abzulegen, sich mit dem Schmuck der Herrlichkeit zu bekleiden. Denn Gott wollte ihr Schicksal wieder zum Guten wenden.

Liebe Schwestern und Brüder, die alttestamentlichen Geschichten können wir als exemplarische Darstellungen von Gottes Zuspruch an seine Auserwählten lesen, Gottes Zuspruch an jeden Menschen also, der sich an Gott als Zuflucht wendet. Wir können uns heute deswegen anstelle der damaligen Israeliten als Adressaten dieses Zuspruchs Gottes ansehen und verstehen. Verschleppt waren die Israeliten, weil sie ihre Heimatstadt Jerusalem verloren hatten, und damit war das Gefühl von Verbundenheit mit Gott zerstört. Wir erleben auf verschiedene Weisen eine andere Art von Verschleppung.

Wir leben in sehr turbulenten Zeiten, in denen unsere bisher sicheren Verankerungen durch Pandemie und andere Arten von Katastrophen nach und nach gelockert und zerstört werden. Viele Dinge, die uns bisher Freude gemacht, Hoffnung gegeben bzw. sichere Zukunft versprochen haben, zerbrechen und verschwinden allmählich. Ob man von physischen Begegnungen und vom Treffen miteinander vor Ort spricht, das wegen der Pandemie meistens ausfallen musste und muss, oder von verlorenen Jobs, oder von den damit verbundenen wirtschaftlichen Verlusten, oder vom verlorenen Heimatgefühl der vielen Christinnen und Christen in der Kirche, das sind gewissermaßen Arten von Verschleppung. Denn wir sind durch diese Erlebnisse von unseren sicheren Orten und Verankerungen entbunden. Viele von uns trauern unendlich um verloren gegangene Sicherheit, verschwundenes Heimatgefühl usw. und haben keine Hoffnung, dass es wieder gut wird.

Daher sind wir alle die richtigen Adressaten des Zuspruchs bzw. Anspruchs Gottes in den Lesungen von heute. Er sagt uns, er sagt Ihnen und mir: „Leg ab, Ezekiel, das Kleid deiner Trauer und deines Elends und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht!" Worum Sie heute auch trauern, Sie können Gott zuhören und das Kleid Ihrer Trauer ablegen. Seine Worte rufen uns zu einer Art von Umkehr. Wir sollen damit aufhören, unsere Sicherheit und Freude nur in den vergänglichen und zerbrechlichen Dingen zu finden. Wir sollen unsere Sicht und Perspektive auf die Zukunft erweitern lassen, um sehen zu können, dass Gott alles zum Guten lenken kann.

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist die Umkehr, die wir heute dringend brauchen. Wenn wir in dieser Weise zu Gott umkehren, dann kehren wir um zu einem Gott, der uns Menschen unendlich liebt. Seine Liebe ist reines Geschenk an uns. Daraus dürfen wir unseren Wert schöpfen, weniger aus dem, was wir selbst leisten oder zustande bringen, weniger aus dem, worauf wir so unendlich stolz sind. Wir dürfen uns neu bewusstwerden, was Gott an uns Menschen tut, wie Gott an uns Menschen handelt. Wir dürfen zu uns stehen.

Wir wissen, dass vielen Menschen – angesichts der vielen Schwierigkeiten des Lebens – die Erfahrung fehlt, unendlich geliebt zu sein, wie sie sich darum auch nicht selbst annehmen und zu sich selbst ja sagen können, weil sie diese mutmachende Erfahrung sehr vermissen.

Aber die Entdeckung, dass wir vor Gott wertvoll und bedingungslos geliebt sind, kann uns Mut und Kraft geben, nach seinen Worten zu leben und uns als Christen in dieser Welt, in dieser Zeit mit ihren Sorgen und Fragen zu bewähren, dieser Welt ein menschliches Gesicht zu geben, Gottes Reich in dieser Welt beginnen zu lassen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, wollen wir heute die unendliche Liebe Gottes neu entdecken! Wollen wir das Auge des Glaubens wieder öffnen, damit wir spüren können, dass das Vertrauen auf Gott eine Quelle der Kraft und der Hoffnung ist.



Evangelium vom 2. Adventssonntag im Lesejahr B

Das Auftreten des Täufers

Mk 1,1-8

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes:

Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht:

Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!

Joh der Täufer weist mit übergroßem Zeigefinger auf den gekreuzigten Christus hin!
Johannes weist auf Jesus, dem Lamm Gottes, den Erlöser und Retter hin!
Maler: Mathis Gothart Grünewald, Werk: Hl. Johannes der Täufer

So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.

Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.



Er verkündete:

Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.

Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.





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Video zum Thema:





Kommentare zu diesen Evangelium:
Ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen (vgl. Mt 3,11), Homilie dem hl. Gregor dem Wundertäter (um 213-um 270)
Bereitet dem Herrn den Weg!, Schott-Meßbuch
Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!, Hl. Franz von Sales (1567-1622)