Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr: B

Die Augen aller waren auf ihn gerichtet

Als ich bei der Vorbereitung dieser Predigt die Lesungen von heute betrachtete, war ich noch voller Gedanken darüber, wie viele Menschen heutzutage in Verwirrung geraten sind. Denn ich hatte kurz zuvor den Brief eines Bekannten gelesen, in dem er schrieb: „Durch die unterschiedlichen Veröffentlichungen, Aussagen und Erklärungen über den deutschen Synodalen Weg ist bewusst oder gedankenlos vieles durcheinander geraten und manch einer von uns ist auch etwas konfus geworden.“ In diesem Satz wird unterstrichen, wie viel Verwirrung in unserer Welt herrscht!

Ob man von den Reden und Gegenreden über die Corona-Pandemie spricht oder von der Situation der Kirche hier in Deutschland, die Medien oder die Geschehnisse in der Gesellschaft beobachtet, eine Sache ist klar geworden: dass manche von uns in Verwirrung geraten sind. Aber hinter der Verwirrung steht noch ein grundlegenderes Problem: die Fragen „Was ist dann die Wahrheit?“ und „Wem können wir noch glauben, ohne betrogen zu werden oder in ebendiese Gefahr zu geraten?“. Viele Menschen suchen heute bewusst oder unbewusst nach den richtigen Antworten auf diese grundlegenden Fragen.

Liebe Schwestern und Brüder, ich stelle uns diese Fragen, die auch viele von uns beschäftigen: „Was ist die Wahrheit?“; „Wem können wir glauben, ohne betrogen zu werden?“ und möchte in Bezug darauf das Thema dieser Predigt erklären. In den Lesungen von heute begegnen uns Menschen, die auch zu ihrer Zeit in solche Verwirrung geraten und auf der Suche nach der Wahrheit waren.

Und eben haben wir gehört, dass sich die Israeliten rund um Esra, den Schriftgelehrten, versammelt hatten. Warum? Sie waren auch in Verwirrung geraten. Sie hatten den Faden des Lebens verloren, weil sie das Wort Gottes verachtet und den Bund mit Ihm verworfen hatten. Viele von ihnen waren daher im Exil in babylonischen Ländern.

Dann, an einem Tag, dachten sie: „Wir haben jetzt genug. Wir können so nicht weiter machen. Wir müssen wieder zuhören, was der Gott unserer Väter für uns vorhat, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Nach dem Zuhören hatten sie auf das Wort Gottes mit erhobenen Händen geantwortet: „Amen, amen!“ d.h., wir glauben daran. Sie wollten die Wahrheit wiederfinden, sie wollten wieder den Weg zum Sinn finden. Und sie haben ihn im Wort Gottes wiederentdeckt.

Auch im heutigen Evangelium versammelten sich die Leute rund um Jesus, der größer ist als alle Schriftgelehrten. Die Augen aller waren auf ihn gerichtet, als er das Wort verkündete. Diese Menschen wollten die Wahrheit finden. Und was haben sie gehört? „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ Dann fügt Jesus hinzu: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ Das, liebe Schwestern und Brüder, ist die Wahrheit! Dass Gott im Leben der Menschen wirkt, dass Gott in unserer Welt wirkt, dass sein Geist aus dem Menschen und aus seiner Situation das Beste zutage befördert, wenn er willkommen ist. Viele seiner Zuhörer haben ihm geglaubt, und sie wurden nicht enttäuscht. Denn sie konnten erleben, dass Gott wirklich wirkt.

Die Augen aller waren auf Jesus gerichtet! Heute, in unserer Verwirrung, worauf richten wir unsere Augen? Wo hoffen wir die Wahrheit zu finden? Woher kommt die Wahrheit? Es fällt vielen Menschen heute sehr schwer, die Augen auf Jesus zu richten. Warum?

Seit mehr als vier Jahrhunderten beschäftigen sich die modernen Menschen mit der Aufgabe, alles zu hinterfragen, was ihren Verstand übersteigt. Das hat man ‚Aufklärung‘ genannt. Die Menschen wollten der menschlichen Vernunft alles unterordnen. Was der Mensch nicht völlig erklären könne, das gelte als Unsinn oder ‚unvernünftig‘. Auch die Frage, ‚wer der Mensch ist‘ müsse neue geklärt werden. Dadurch versucht der moderne Mensch – wenn auch unbewusst – sich von den Bindungen und Beziehungen, die seinem Leben und seiner Existenz einen Sinn geben, abzukoppeln.

Die Grundidee dahinter ist, dass der moderne Mensch sein Leben selbst bestimmen will, ohne Bindungen. Solche Idee der menschlichen Freiheit verachtet auch Gott, und diejenigen, die von dieser Idee überzeugt sind, können die Augen nicht auf Jesus richten. Denn sie erwarten nicht, dass er die Wahrheit bringt.

Wir können heute zurückblickend erkennen und es vielleicht auch bedauern, dass diese Ideologie, die seit Jahrhunderten den Menschen begleitet und sein Leben prägt, uns alle in Gefahr geraten ließ. Wenn der Mensch die Wahrheit abschafft, die seinem Leben Sinn schenkt, dann herrscht nur noch Gleichgültigkeit. Wenn jeder seine Wahrheit selbst konstruieren will, welche Wahrheit haben wir dann gemeinsam?

Wir sind nicht völlig unschuldig daran, dass viele heute keine Wahrheit mehr anerkennen können. Denn wir befinden uns in einer Situation der Gleichgültigkeit, die aus einer Idee vor hunderten von Jahren entstanden ist. Wir müssen aber nicht da bleiben. Wir können aus dieser Gefahr aussteigen und wieder den richtigen Weg finden. Den Weg zum Sinn!

An den Beispielen der Charaktere in den heutigen Lesungen lernen wir, liebe Schwestern und Brüder, was zu tun ist. Heute wollen wir aufhören zu denken, es gebe keine Wahrheit. Denn das macht alles kaputt, was unserem Leben den Sinn gibt. Wir wollen unsere Augen auf Jesus richten. Er ist die Wahrheit. Wer er ist, - was er sagt, - was er tut, - darin finden wir die Wahrheit, die unserem Leben Sinn gibt.

Gott spricht in einer Weise, die uns Liebe schenkt. Er führt uns zu Taten, die unserem Leben Sinn schenken. Mit ihm zu gehen, bahnt für uns Perspektiven und Lebensrichtungen, die aus uns das Beste hervorbringen,  trotz aller Herausforderungen des Lebens. Mit den Worten Blaise Pascals möchte ich diese Predigt beschließen: „Ich mag diesen Gott, der spricht, und aus mir das Beste heraufbefördert!“



Evangelium vom 3. Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr B

Die ersten Jünger

Mk 1,14-20

Nachdem man Joh den Täufer ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

Jesus steht im Mittelpunkt vieler Menschen am See.  Zwei der Jünger knieen vor ihm.
Maler: Ghirlandaio Domenico,
Berufung des Heiligen Petrus,
Sixtinische Kapelle

Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.

Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Joh; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.





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Video zum Thema:





Kommentare zu diesen Evangelium:
Sie ließen ihren Vater im Boot zurück und folgten Jesus nach (vgl. Mk 1,20), Hl. Theresia Benedicta a Cruce [Edith Stein] (1891-1942)
Denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen, Hl. Kolumban (563-615)
Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen!, Hl. Johannes Chrysostomus (um 345-407)
Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!, Schott Meßbuch
... und sie folgten ihm, Hl. Hieronymus (347-420)