Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum Karfreitag Lesejahr: B

In seinem Leiden spricht Jesus das menschliche Leid an, aber was sagt er mir?

In der Leidensgeschichte Jesu, die wir in jeder Karwoche zweimal (erst am Palmsonntag und dann am Karfreitag) hören, - begegnen wir Jesus in seinem Leiden. Seine Passion – wie die Kirche dieses Leiden nennt – ist gleichzeitig sowohl eine einfühlsame Annahme des Schicksals der Menschen als auch die Heiligung dieses Schicksals. Er leidet mit uns, aber auch gleichzeitig schenkt er unserem Leiden einen Sinn durch seines. Nicht nur durch die Menschwerdung des Gottessohnes identifiziert Gott sich mit uns Menschen, sondern auch durch sein Leiden.

In seinem Leiden erlebte Jesus alle Dinge, die das menschliche Leben schwer machen. Das sind Ungerechtigkeit, Verrat, Verleugnung, Verachtung, usw. Dinge, unter denen viele Menschen auch bis heute leiden. In seinem Leiden identifiziert sich Jesus deswegen mit uns allen und mit unseren Leiden. Einer seiner Jünger hat ihn verraten. Ein anderer, den er als der Leiter der Jünger angesehen hat, verleugnet ihn dreimal.  Die Zahl ‚Drei‘ ist ein Zeichen der Vollständigkeit. Das heißt, als Vertreter der Jünger hat Simon Petrus Ihn (Jesus) ausnahmslos verleugnet. Auch alle anderen Jünger haben ihn verlassen, besonders an den Punkten, wo er ihres Beistands am meisten bedurfte.

Er erlebte den Hass der Pharisäer, der Hohenpriester und der Schriftgelehrten. Durch die Hände der Regierenden erfuhr er ein ungerechtes Urteil. „Kreuzige ihn!“ „Kreuzige ihn!“ schrien auch die Tempeldiener. Sie erhoben Vorwürfe gegen den, der keine Sünde und kein Unrecht begangen hat. Sie wollten nur "weg mit ihm", weil sein Leben ihres verurteilte. Das Leiden war so schwer zu ertragen, dass Jesus einmal meint, vom Vater verlassen zu sein: „Eloi Eloi lema sabachtani!“ „Mein Gott, mein Gott, warum (wozu) hast Du mich verlassen?“ Diese Frage Jesu zeigt die Tiefe seines Leidens, aber er mochte auch nicht den Sinn seines Leidens aus den Augen verlieren. Daher seine Wozu-Frage!

Lasset uns diese Leidensgeschichte Jesu mit einer tiefen Einfühlsamkeit betrachten. Denn diese Geschichte ist nicht eine, die wir nur lesen oder hören, sondern auch erleben und mitfühlen sollen. Wir können ja das Leiden Christi nicht 1:1 miterleben. Denn den Sohn Gottes können wir auch gar nicht eins zu eins nachahmen. Wir kommen aber heute mit unserem Leid zu Jesus und begleiten ihn in seinem Leiden auch mit unserem. Gerade da, wo die Menschen leiden, leidet Jesus mit der Menschheit. Jeder von uns kommt mit seinem Leid. Er sagt uns etwa: „Ich leide mit Euch und weiß von der Schwere Deines Kreuzes. Ich habe Dein Kreuz durch meines geheiligt. Damit erhält Dein Leid einen Sinn!“ Er lehrt uns beim Leiden nicht „Warum?“ zu fragen, sondern „Wozu?“ Denn wir leiden ja nicht mehr sinnlos, wenn er uns beisteht und begleitet. Er heiligt unser Leid und das Kreuz, das wir im Leben tragen und ertragen müssen, damit es zu einem Weg der Hoffnung wird.

Aber was sagt Jesus zu den Menschen, die sein Leid erzeugt haben? Er sprach zwar unermüdlich gegen ungerechte Taten und sein Leiden am Kreuz verurteilt alle, die Menschen zu Opfern machen. Sein Opfer ist das schärfste Gericht und schreit nach Gerechtigkeit. Aber auch da, wo Jesus den bekehrten Tätern persönlich begegnet, weigert er sich nie, ihnen eine Chance zu Veränderung und Versöhnung zu geben. Er warnte zwar davor, dass seine Jünger ihn verleugnen, verraten und verlassen würden. Aber er hat auf sie einen Blick der Liebe geworfen. Dieser Blick sagt etwa: „Ich verstehe eure Schwäche; euren Verrat an mir; eure Verleugnung; eure Fehler sind mir bekannt und schmerzen mich. Trotzdem schenke ich euch eine Chance zur Veränderung und Verbesserung. Ich schenke euch Anerkennung. Denn ich weiß, dass ihr es besser könnt – mit mir und durch meine Hilfe. Was er am Ende sagt, ermöglicht Versöhnung: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34) Auch einem der Räuber, der zu seiner Seite gekreuzigt war, hat er sofort die Teilnahme an seinem Reich versprochen.

Vielleicht können wir von Ihm lernen, denjenigen eine Chance zur Versöhnung und Veränderung zu geben, die uns zum Leiden gebracht haben. Das Kreuz, dessen Geheimnis wir heute feiern, ist auch ein Zeichen zweiseitiger Versöhnung – Versöhnung mit dem Himmel (Gott) und Versöhnung miteinander. Wir sollen diese Chance gut nutzen. Am Ende des Gottesdienstes können wir beichten. Der Priester stellt sich dafür zur Verfügung. Wir können auch einander befreien durch Vergebung und das Vertrauen zeigen, dass wir noch ein möglichst gutes zukünftiges Miteinander schaffen können. Lasst uns auch in diesem Sinne Jesus bis zu seiner Auferstehung begleiten.



Evangelium vom Karfreitag im Lesejahr B