Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit Lesejahr: B

Frieden hinterlasse ich euch

„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Das sagt uns Jesus im heutigen Evangelium. Trotz dieser Verheißung Jesu sieht unsere Welt immer nicht friedlich aus. Angesichts der kriegsversehrten Lage unserer Welt könnte man denken, die Botschaft des heutigen Evangeliums sei unwirklich. Worin liegt das Problem? Sind wir Menschen nicht friedensfähig?

Das Problem ist, denke ich, dass Frieden nicht ohne Gerechtigkeit gewonnen werden kann. Denn Frieden und Gerechtigkeit gehören zusammen. Wir können nicht in wahrem Frieden miteinander leben, ohne auch gerecht miteinander umzugehen. Und das ist wahr. Eine andere Sache ist, dass wir uns nicht immer darüber einig sind, was Gerechtigkeit bedeutet. Deshalb ist es oft nicht einfach, beides - Frieden und Gerechtigkeit - unter einen Hut zu bringen.

Der islamistische Terrorist zum Beispiel, der eine Kirche bombardiert und dabei viele Menschen tötet, spricht von einem Kampf für Gerechtigkeit. Er sagt, die Ungläubigen sollten umkehren oder getötet werden. Wie kann man mit Menschen solcher Ansichten in Frieden leben? Im Norden Nigerias leben die Christen in ständiger Gefahr durch terroristische Anschläge. Dort wurde eine Studentin vor zwei Wochen von islamistischen Extremisten ermordet, die behaupteten, sie habe gegen Mohammed gehetzt. Sie meinten damit, für Gerechtigkeit zu kämpfen.

Verfolgt man Putin und die Hintergründe seines Krieges in der Ukraine, sieht man, dass er mit diesem furchtbaren Krieg und mit den schrecklichen Zahlen von Opfern und Zerstörungen glaubt, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Er rechtfertigt diesen grausamen Krieg mit einer angeblichen „Entnazifizierung“ der Ukraine und sieht ihn als eine gerechte Handlung an. Wenn wir aber an die schlimmen Auswirkungen dieses Krieges – an die Schwierigkeiten und Herausforderungen also –, die Millionen von Menschen auf der ganzen Welt betreffen, denken, fragen wir uns, wie ein Mensch so verrückt denken und handeln kann.

Dies sind nur Beispiele dafür, wie verrückt wir Menschen in unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit und unserem Kampf dafür sein können. Vielleicht sind sie Beispiele für unser Verrücktsein auf großer Ebene. Im Kleinen, im täglichen Leben, erleben wir solche verrückten Ansichten über Gerechtigkeit und den Kampf für sie. Nicht immer gelingt es uns, einen klaren Blick dafür zu gewinnen, welche Auswirkungen unser Kampf für Gerechtigkeit haben kann und wie er andere Menschen ihrer Rechte berauben und damit Gerechtigkeit und Frieden verhindern kann.

Frieden kann nicht gewonnen werden, ohne die Interessen und Rechte anderer Menschen wahrzunehmen und zu respektieren. Hier sehen wir, dass der Frieden letztlich auf Nächstenliebe beruht. Auch die Gerechtigkeit kann ohne Nächstenliebe nicht wirklich verstanden und gerechterweise geschaffen werden. D.h., die Frage nach dem Frieden führt uns zurück zu Jesu Gebot: „Liebt einander!“ Wenn ich nur meine Rechte berücksichtige, aber die der anderen übersehe, dann kann ich mit ihnen keinen Frieden schaffen. Wenn ich nur für mein eigenes Wohl und meine eigenen Vorteile kämpfe, aber das Wohl der anderen ignoriere, dann bin ich kein Friedensstifter.

Liebe Schwestern und Brüder, lasst uns noch einmal über die Worte Jesu nachdenken: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“. Wie können wir uns diesen Frieden aktiv zu eigen machen und ihn weitergeben? Es braucht Respekt und Liebe füreinander. Es braucht einen respektvollen und liebevollen Umgang miteinander, selbst mit denen, die wir unsere „Feinde“ nennen. Denn wo Nächstenliebe gelebt wird, da ist Frieden!



Evangelium vom 6. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B