Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 24. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr: B

Für wen halten mich die Menschen?

Im heutigen Evangelium stellt Jesus seinen Jüngern eine wichtige Frage: für wen halten mich die Menschen? Die Frage, wer Jesus ist, hat schon seit der Zeit Jesu unterschiedliche Antworten bekommen. Wie Petrus berichtet, hielten ihn einige seiner Zeitgenossen für Johannes den Täufer, andere für Elija und wieder andere für einen von den Propheten.

Das waren die Menschen, die seine Predigten gehört hatten; die Menschen, die sein Wirken live erlebt hatten, die Menschen, die von ihm geheilt worden waren. Sie hatten ihn – trotz ihrer Erfahrungen mit Ihm – nicht als Erlöser erkennen können.

Auch die Apostel mussten die Frage über die Identität Jesu beantworten. Petrus hat diese Frage durch die Kraft des Heiligen Geistes richtig beantwortet. „Du bist der Christus!“ sagt er. Aber, dass Kreuz und Leiden seinen Auftrag als Erlöser notwendigerweise bedingt, konnte Petrus nicht verstehen. Er wollte Jesus vor Leiden bewahren. Er wünschte sich, dass Jesus Leiden und Tod umgehen könnte. Deswegen hat er Jesus zurechtgewiesen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, es gibt immer wieder unter uns Menschen den Versuch, Jesus aus unserem menschlichen Denken und aus unseren eigenen Vorstellungen zu erklären, Vorstellungen also, die nichts mit der praktischen Erfahrung mit Gott zu tun haben. Es gibt heute Theologen, die nicht mehr annehmen wollen, dass Jesus Christus mehr als eine historische Figur ist. Es geht in dieser Predigt aber nicht um sie, sondern um uns, die wir hier in diesem Gottesdienst versammelt sind.

Es ist die Frage, wie ich Jesus Christus begegne und für wen ich ihn halte, wenn ich ihn heute in der Heiligen Kommunion empfange. Es ist die Frage, für wen ich ihn halte, wenn ich mit meiner Familie zu ihm bete, wenn ich mein Gebet mit den Worten „durch Jesus Christus, unseren Herrn" beende. Aus unserer eigenen Vorstellung, aus unserem menschlichen Sinn, können wir Jesus nicht völlig erkennen. Wir müssen ihm begegnen und im Alltag ihn kennenlernen.

 

Jesus sagt zu Petrus etwas Wichtiges, das ich hier betonen möchte. Er sagt Petrus, „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ Der Ausdruck „etwas im Sinn haben“, „Phrone“, sagt man auf Griechisch, kommt in der Heiligen Schrift häufig vor, und hat mit Klugheit (phronesis) zu tun, eine Art von Weisheit, die der Wahrheit entspricht, und die teilweise vom Heiligen Geist geschenkt wird, und teilweise durch praktische Erfahrungen entfaltet und gefestigt wird. Phronesis ist eine Art von Erkenntnis (über uns, über Gott bzw. über irgendetwas), die, selbst wenn sie uns schon theoretisch eingegeben wird, wir selbst durch eigene Erfahrungen mit den Dingen zu eigen machen, entfalten und befestigen müssen.

Petrus hat seine Antwort „Du bist der Christus“ durch den Heiligen Geist empfangen. Aber deren Bedeutung hat er noch nicht völlig verstanden. Es ist ein Geschenk des Glaubens, das er sich noch durch eigene Erfahrung in der Nachfolge Christi zu eigen machen muss. Er hat also noch keine praktische Erfahrung, die seine persönliche Überzeugung zu diesem Glaubensbekenntnis bewirken kann. Daher widerspricht er sich selbst schon ein paar Minuten danach.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, es ist auch manchmal unsere Erfahrung, dass wir den Glauben nicht verstehen, nicht leben, nicht verteidigen können, den wir jeden Sonntag bekennen. Denn außer den Worten, die wir im Credo, im Glaubensbekenntnis, sprechen, und dem Wissen, das mit diesen Worten verbunden ist, hat unser Glaube auch noch eine andere Sicht: die praktische Sicht. Diesen Aspekt des Glaubens kann uns niemand beibringen. Die praktische Erkenntnis, den Sinn also wirklich dafür zu haben, dass Jesus unser Herr und Erlöser ist, kann nur aus unseren Erfahrungen in seiner Nachfolge entstehen.

Dieser Aspekt des Glaubens ist das, was Jakobus in der zweiten Lesung betont. Er fragt, „meine Schwestern und Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke?“ Die Werke, die den Glauben zu eigen machen, muss noch jeder von uns beitragen. Sowie ein Student beim Studium geeignete Leistungen erbringen muss, bevor er das Ziel seines Studiums erreichen kann, oder ein Handwerker bei seiner Ausbildung praktische Erfahrungen versammeln muss, bevor sie in seinem Beruf wirklich ein Fachmann wird, müssen auch wir – jeder von uns – Gott vertrauen lernen, durch kleine Erfahrungen des Alltags. Dabei lernen wir, dass wir nicht vom Kreuz verschont bleiben, dass wir unsere Liebe zu Gott beweisen können, durch die Liebe, die wir unseren Mitmenschen erweisen. Da erfahren wir, dass Gott treu bleibt, trotz aller schrecklichen Dinge, die uns im Leben begegnen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, alles, was Gott uns schenkt, müssen wir auch durch praktische Erfahrung begleiten und entfalten. Erst dann können wir es im Sinne Gottes verstehen und schätzen. Ich meine alles – die Familie, in die wir hineingeboren sind, die Kinder, die wir bekommen, die Menschen, die Teil unseres Lebens sind, die Talente, die in uns angelegt sind, die Berufung, die wir bekommen haben, und …. Ich meine wirklich alles. Lasst uns um den Mut und die Kraft bitten, damit wir die richtigen Werke tun und den Sinn Gottes über diese Dinge erhalten können.



Evangelium vom 24. Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr B