Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 22. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr: B

Gleicht euch nicht dieser Welt an!

Immer wieder treffe ich Menschen, die mich darauf aufmerksam machen, dass sich die Welt weiterentwickelt hat, über die Zeit Jesu und über die Lehren der Bibel hinaus. Sie meinen, die Lehre Jesu und die der Heiligen Schrift seien so veraltet, dass man in unserer Zeit nicht mehr nach ihr leben könne.

Einmal hat ein Mann mir geraten, der Priester solle predigen, was den Weltanschauungen der Gläubigen angepasst ist! Die Predigt sollte zeitgenössisch sein! Ich habe nachgefragt, was er mit den Worten „Weltanschauungen der Gläubigen“ und „zeitgenössisch“ meinte. Daraufhin hat er mir erklärt, dass die Predigt die Realität des Lebens der Gläubigen ansprechen und ihnen die Lösungen zu ihren gegenwärtigen Problemen zeigen sollte.

Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Einerseits ist dieser Rat besonders wichtig. Wir müssen versuchen, die Lehre der Heiligen Schriften in die Probleme und Herausforderungen unserer Zeit hineinzuinterpretieren. Denn nur so kann die Bibel anschlussfähig sein für die Menschen unserer Zeit. Die Frage, wie wir die Lehre der Heiligen Schrift anschlussfähig für unsere Zeit machen, ist daher eine aktuelle Glaubensfrage und nicht nur wesentlich, sondern braucht auch eine praktische Antwort.

Andererseits gibt es eine andere Sichtweise der Situation, die die Möglichkeit dieser Anpassung einschränken kann. Es fällt mir oft auf, dass das Wort Gottes uns anders anspricht, als wir es eigentlich erwarten. Anstatt sich unserer Weltanschauung anzupassen oder dem Zeitgeist zu entsprechen, versucht das Wort Gottes, uns oder unsere Weltanschauung zu verändern, unser Denken zu erneuern und zu verwandeln.

Dieser Aspekt zeigt, dass der Versuch, das Wort Gottes mit unserer Weltanschauung in Einklang zu bringen, auch umgekehrt erfolgen kann, so dass sich nicht das Wort Gottes, sondern unsere Weltanschauung ändert.

Als Christen müssen wir ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Seiten herstellen. Wir sollten versuchen, das Wort Gottes zeitgemäß zu interpretieren, ohne seine Kraft zur Erneuerung und Veränderung der Menschen und ihrer Situation zu vergessen oder zu verlieren.

Wir haben eben in der zweiten Lesung gehört: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“

Das christliche Leben ist auf ein Ziel ausgerichtet, das nicht zeitgemäß sein muss, sondern göttlich. Es führt uns zur Ewigkeit. Wenn wir das vergessen, dann verlieren wir auch den Sinn der Begleitung, die Gott uns durch sein Wort schenkt. Aber, wenn wir das vor Augen behalten, dann verstehen wir den Grund, warum der Zeitgeist uns nicht vorschreiben kann, wie wir als Christen zu leben haben.

Liebe Schwestern und Brüder, diejenigen, die ihr Leben nach dem Wort Gottes ausrichten wollen, können dem Zeitgeist widersprechen. Sie können aber auch verspottet und verhöhnt werden wie der Prophet Jeremia. Das bedeutet aber nicht, dass sie im Irrtum sind. Es kann passieren, dass Christen in der Minderheit sind, dass sie verfolgt werden, auch wenn sie doch in der Wahrheit sind. Die Wahrheit ist selten beliebt.

Die Besonderheit der Nachfolge Christi besteht nicht darin, den Menschen zu gefallen und beliebt zu sein, sondern in der Bereitschaft, für die Wahrheit einzustehen. Das ist nicht immer leicht. Es kann das Kreuz bedeuten. Ja, das Kreuz zu akzeptieren, wenn es der Wahrheit dient, das gehört dazu.

Jesus selbst hat das Kreuz nicht abgelehnt. Nein! Er hat es angenommen. Nicht, weil es ihm angenehm war, sondern weil es seinen Weg und die Erfüllung seiner Aufgabe als Erlöser und Heiland vorantrieb.

Und, wenn er uns im heutigen Evangelium sagt: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“, dann sagt er uns nicht nur, dass das Kreuz Teil der Nachfolge ist, sondern auch, dass die Aufforderung, das Kreuz zu tragen, häufiger vorkommt, als wir denken.

Ich stehe vor dieser Aufforderung, wenn ich zum Beispiel eine unangenehme Wahrheit sagen muss, vielleicht um Leben zu retten oder um der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Die Unannehmlichkeiten könnte vielleicht darin bestehen, dass sich jemand, der mir nahe steht – ein Freund, mein Partner, meine Mutter, mein Vater –, durch die Wahrheit verletzt fühlt, oder darin, dass ich dabei etwas Wichtiges verlieren würde. Würde ich mich in diesem Fall trotzdem entscheiden, das Risiko einzugehen, also die Wahrheit zu sagen, oder würde ich lieber meinem Bekannten Gefallen tun und das Kreuz vermeiden?

Ich weiß nicht, welches Kreuz du in deinem Leben trägst und worin die Unannehmlichkeit dieses Kreuzes besteht. Guck auf das Kreuz Jesu und sieh, dass du nicht allein bist. Der Herr, dem wir nachfolgen, stirbt auf dem Kreuz.

Das ermutigt uns nicht zu vergessen, dass das Kreuz zur Nachfolge gehört. Der Weg der Wahrheit, der Weg zum wahren Leben mag nicht einfach und angenehm sein. Aber er bringt uns sicher voran! Das, was wir durch das Kreuz des Lebens, das Kreuz der Nachfolge gewinnen, ist viel größer als das, was wir verlieren!



Evangelium vom 22. Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr B