Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 12. Sonntag der Osterzeit Lesejahr: B

Meine Seele dürstet nach dir, mein Gott

Das Wort „Durst“ kennen wir gut. Wir kennen den leiblichen Durst, wenn kein Wasser da ist, zumal bei solchen Temperaturen wie in diesen Tagen. Auch den Durst der Leidenschaft nach Glück und Erfolg kennen wir. Das heutige Psalmwort lautet: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ (Ps 63,2). Wir Menschen sind immer auf der Suche nach etwas, wir dürsten immer nach etwas. Die Frage ist: „Wonach dürsten wir eigentlich?“ Wir dürsten nach vielen Dingen – nach Gemeinschaft, nach Glück, nach Erfolg, nach Liebe, nach Zufriedenheit, nach Gesundheit, nach Frieden, nach Ruhe, nach Sinn, usw. Jeder von uns kennt seinen Durst, je nachdem, was er denkt, was ihm im Leben nötig ist. Diesen Durst nach etwas nennen wir auch „Sehnsucht“. In vielen Dingen, die wir tun, steckt eine Sehnsucht. Auch in den Verhalten, die lebenszerstörend sind, steckt manchmal eine Sehnsucht. Zum Beispiel könnte auch in der Drogensucht eine Sehnsucht nach Sinn, Gemeinschaft oder auch nach Beziehung stecken.

Was unser Durst und unsere Sehnsucht uns sagen, ist, dass wir in uns nicht vollständig sind, dass wir nicht angekommen sind, dass wir nicht in uns selbst abgeschlossen sein dürfen. Menschsein bedeutet in Beziehung mit vielen Dingen zu sein. Wir suchen nach etwas, das uns vervollkommnen kann, etwas, das unsere Sehnsucht erfüllen und unseren Durst stillen kann. Jede Art von Durst oder Sehnsucht führt uns zu etwas, von dem wir hoffen, beruhigt, erfüllt oder gestillt zu werden, und dem wir nachgehen. Deshalb ist es sehr bedauerlich, dass manche Dinge, von denen wir uns stillen, erfüllen oder beruhigen lassen, lebenszerstörend sind. Sie rauben uns etwas Wichtigeres als das, was sie uns bringen. Manches nimmt uns sogar die Zufriedenheit im Leben. Sie können letztendlich weder unseren Durst stillen noch unsere Sehnsucht erfüllen. Ich vergleiche diese Situation mit dem, was mit Jesus am Kreuz passiert ist, als er am Kreuz dürstete. Man hat ihm Essig statt Wasser gegeben, um damit seinen Durst zu stillen. Er dürstete nach Wasser, aber er bekam Essig. Das war aber keine Lösung. Denn mit Essig kann man den Durst nach Wasser nicht stillen.

Wir dürsten. Der Mensch dürstet. Gerhard Stanke hat die Situation des Durstes und der Sehnsucht des Menschen sehr gut ausgedrückt. Er schreibt: „Wir haben nicht nur Hunger und Durst, den man für einige Zeit stillen kann. Wir sind wie Hunger und Durst, das heißt unersättlich. Der Mensch will immer noch mehr – höher, weiter, schneller. Er ist nicht zufrieden mit dem, was er erreicht hat. … Je mehr er hat, je mehr er will, nie schweigen seine Klagen still. Er ist gleichsam ein Nimmersatt. Nie zufrieden, höchstens für einen Augenblick. Dann erwacht wieder der Wunsch nach Neuem.“ Wir erkennen diesen sich immer wiederholenden Kreislauf von Wünschen, Sehnsüchten und Dürsten. Wir erkennen, wie unersättlich unsere Wünsche sind. Nun ja, man kann sagen, dass dieser Zustand von unersättlichen Wünschen es ermöglicht hat, dass der Mensch in einer fortlaufenden Entwicklung und Entfaltung bleibt. Wie auch Gerhard Stanke geschrieben hat: „Es ist gut so, dass der Mensch so viele Wünsche hat und auch die Kräfte einsetzt, um sie zu erfüllen. Darin liegen Entwicklung und Fortschritt.“ Es ist aber hilfreich, wenn wir verstehen, dass es nichts gibt, das unsere menschliche Sehnsucht letztendlich erfüllen kann, außer Gott. Also, das Problem ist nicht, dass wir immer den Wunsch nach Neuem haben, sondern, dass, was unseren Durst letztendlich stillen kann, nicht die Dinge sind, denen wir nachgehen.

 

Ich denke an den Hl. Augustinus, der Mann, der in seinem Leben vielen Dingen nachgegangen ist, um seine Sehnsucht zu erfüllen, um seinen Durst zu stillen. Er hat nach dieser Erfüllung gesucht, in menschlichem Wissen, in Philosophie, in Freundschaften, in Sex, usw. Je mehr er diesen Dingen nachging, desto mehr entfernte sich die Erfüllung, die er erwartete. Als er aber Jesus Christus kennenlernte, erfuhr er solch einen inneren Frieden und eine Ruhe, dass er äußerte: "Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir, o Gott“ (Confessiones/Bekenntnisse, I, 1,1). „Mit diesen berühmt gewordenen Worten wendet sich der Heilige Augustinus in seinen Bekenntnissen an Gott, und in diesen Worten findet sich eine Synthese seines ganzen Lebens“, erklärt Papst Franziskus.

Liebe Brüder und Schwestern, ich beziehe mich noch einmal auf Gerhard Stanke und ziehe in seinen Worten den Schluss, dass, „Wenn nichts den Menschen auf Dauer ganz glücklich machen kann, dann ist er offensichtlich noch für etwas Größeres geschaffen. Sonst wäre er eine Fehlkonstruktion. Er würde auf etwas aus sein, das er nie erreicht, was sich ihm immer wieder entzieht. Das ganz große Glück wäre dann eine Illusion. Alles, was uns das große Glück verheißt, wäre eine Täuschung.“ Unsere Sehnsucht, unser seelischer Durst ist nur ein Hinweis auf Gott, in dem wir die Erfüllung finden.



Evangelium vom 12. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B