Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 4. Sonntag der Fastenzeit Lesejahr: B

Jesus heilt unsere Blindheiten

Liebe Schwestern und Brüder, Blindheit ist eine bittere Situation, die sich niemand wünschen möchte. Die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, zeigen, wie viel es bedeutet, "sehen zu können". Es ist ein großes Geschenk und bedeutet mehr im Leben als Gold und Silber. Aber wenn wir von 'Sehen' sprechen, dann sind damit nicht nur unsere organischen Augen gemeint. Denn es gibt andere Perspektiven des Sehens, es gibt andere Arten der Blindheit. Das wird in den Lesungen deutlich, die wir gerade gehört haben, insbesondere im Evangelium.

Unterwegs mit seinen Jüngern begegnet Jesus „einen Mann, der seit seiner Geburt blind war“. Dieser Mann leidet also zunächst einmal an Blindheit der organischen Augen. Aber wie die unterschiedlichen Menschen seine Situation wahrnehmen, verrät eine andere Art von Blindheit.

Die Jünger Jesu z. B. sahen in seiner Situation eine Sünde. „Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde?“ war ihre Frage an Jesus. Sie sahen an dieser Blindheit, eine Situation, die zu verurteilen ist, und suchten nach dem, wer daran schuldig war. Das ist doch keine Lösung! Das kann dem Blinden nicht helfen.

Auch die Pharisäer empfanden keine Empathie für den Blinden. Was meinen Wir hier mit „Empathie“? Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, und Leiden einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Die Jünger Jesu konnten das Leiden des blinden Mannes nicht wahrnehmen. Die Pharisäer waren wütend darüber, dass Jesus am Sabbat geheilt hat und übersahen dabei die Freude des geheilten Mannes. Keine Empathie empfinden zu können, ist eine Art von Blindheit – Blindheit des Herzens.

Aber, wie hat Jesus diesen Mann wahrgenommen? Er sah einen Mann, der seit seiner Geburt sehr viel gelitten hatte und daher Heilung nötig hatte, und zwar, dringend. Seine Befreiung war notwendiger als Schuld erteilen oder Sabbat-Regeln einhalten. Alles, was das Leid der Leidenden nicht tilgen konnte, musste im Augenblick warten, so dachte Jesus.

Jesus hat diese Person mit organischer Blindheit tatsächlich geheilt. Diese Blindheit ist sicher sehr bitter. Welche eine Freude und Erleichterung muss dieser Mensch gespürt haben, als er die Heilung erlebte. Welche neue Lebensqualität er bekam.

Es wird daher im Evangelium deutlich, dass selbst diejenigen, die mit den äußeren Augen sehen können - wie die Jünger Jesu und die Pharisäer – immer noch an einer anderen Art von Blindheit leiden könnten - der Blindheit des Herzens.

Diese zeigt sich jedes Mal, wenn wir unseren Mitmenschen begegnen, ohne Empathie, ohne Nächstenliebe. Es gibt einen Spruch, der lautet: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar…!“ Eine Zeit lang war dieses Wort bei vielen Hochzeiten zu hören. Der Ehemann, die Ehefrau sollte mit den Augen des Herzens, mit den Augen der Liebe angeschaut werden. Der Mensch ist eben mehr als das, was man von außen her sieht. Der Mensch ist mehr als seine äußeren Taten. Wenn wir mit dem Herzen sehen, dann entdecken wir oft, nicht einen Menschen zu verurteilen, sondern einen, der unsere Liebe nötig hat, einen, dem wir helfen können.

Schließlich gibt es noch eine dritte Art des Sehens, das Sehen mit den Augen des Glaubens. Wenn das fehlt, dann wird man unter der Blindheit der Seele leiden. Wo man die Taten Gottes nicht sehen kann, wo man sich nicht auf den Beistand und die Hilfe Gottes einlassen kann, dort ist diese Blindheit zu finden. Immer wenn wir nur mit dem rechnen, was wir tun können, was in unserer Kraft steht, ohne zu sehen, dass Gott eine Quelle der Kraft ist, dass er uns beisteht und hilft, dann leiden wir an dieser Blindheit. Sie ist auch der Fall, wenn wir den Wert unserer Mitmenschen nur an ihrer äußeren Gestalt und Erscheinung messen.

Der Prophet Samuel ist für uns ein wichtiges Beispiel. Auch er sieht zuerst das äußere: das Aussehen und die stattliche Gestalt. Samuel schaut zuerst auf das, was die Menschen sehen. Gott hat einen anderen Blick. Eben diesen Blick muss Samuel noch erlernen. Gott sieht nicht auf das Äußere, was uns Menschen wichtig ist. Gottes Blick ist ein anderer. Mit den Augen des Glaubens sind wir befähigt, diesen ganzheitlichen Blick zu haben.

Wir können von der Blindheit der Seele nur dann geheilt werden, wenn wir uns auf Gott einlassen, wenn er uns mit seinen Wort und Zeichen ganz nahe kommt. Unser Leben kann schöner und reicher werden, wenn wir uns auf Jesus einlassen. „Gottes Handeln soll an ihn offenbar werden!“ so antwortet Jesus auf die Frage der Jünger, ob der junge Mann gesündigt hat oder ob seine Eltern gesündigt haben. Gottes Handeln kann auch an uns heute offenbar werden.



Evangelium vom 4. Sonntag der Fastenzeit im Lesejahr B