Auswahl der Predigten von Pater Ezekiel Oko


Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr: B

Für wen haltet ihr mich? (Mt 16, 13-20)

Jesus stellt seinen Jüngern und uns zwei wichtige Fragen. Die erste Frage, „Für wen halten mich die Menschen?“ ist einfach zu beantworten und kann nicht konsequent sein. Um diese Frage zu beantworten, braucht man über Jesus zu lesen und zu hören, und wenn man da noch ein Expertenwissen erwerben will, braucht man vielleicht ein Theologiestudium zu absolvieren. Dabei kann man sich mit verschiedenen Meinungen, auch mit Streitfragen über Jesus beschäftigen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass einige Menschen beim Theologiestudium ihren Glauben in Christus verlieren. Denn manchmal sitzt man in einer Theologie-Vorlesung und fragt sich, ob das wirklich stimmt, was man da hört. Es ist aber immer so. Wenn Menschen über das berichten, was sie über Jesus hören, ist das ja meistens Vermutungen. Wie die Jünger berichten, halten einige Jesus für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.

Es wird aber anders sein, wenn die Menschen Jesus mit Offenheit begegnen, wenn sie nicht einfach Vermutungen über Jesus haben und verbreiten, sondern mit Jesus persönliche Erfahrung machen. In den Evangelien haben wir einige berühmten Erzählungen von solchen Begegnungen mit Jesus. Die Geschichte der Samariterin im Johannesevangelium, Kapitel 4, ist ein gutes Beispiel dafür. Diese Frau hatte zuvor nur Vermutungen über Jesus, bis zum Zeitpunkt, in dem Jesus ihre persönliche Situation anspricht und ihr Erbarmen und heilende Liebe schenkt.

Und das Ergebnis? „Die Frau ließ ihren Wasserkrug stehen, kehrte zurück in die Stadt und sagte zu den Leuten: Kommt her, seht, da ist ein Mensch, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Christus?“ (Joh 4,28f). Ein solche persönliche Begegnung führt zu einem überzeugten Zeugnis für Jesus und hat weitere Konsequenzen im eigenen Leben.

Man berichtet nicht mehr über Jesus, sondern erzählt von eigenen Erfahrungen mit Jesus. Man liegt Zeugnis für Jesus ab, mit Überzeugung und Begeisterung. Hier wächst nicht nur das Wissen über Jesus, sondern es entsteht auch eine Beziehung zu Jesus und das Vertrauen zu ihm wächst dabei.

Letzte Woche habe ich einen Mann kennengelernt, der momentan mit seiner Familie in Deutschland Urlaub macht. Er kommt ursprünglich aus Pakistan, aber lebt seit 2009 in Italien mit seiner Familie. Da er in der Woche die Hl. Messe mehrmals besuchte, hatte ich die Gelegenheit, mit ihm zu unterhalten.

Er erzählte mir von seinen Erfahrungen, die mich sehr beeindruckten. Bevor er nach Italien floh, war er Manager eines großen Unternehmens in Pakistan. Als Christ in einem muslimischen Land wurde er wegen seines Glaubens verfolgt. Im Jahr 2009 wurde er verhaftet. Sie wollten ihn zwingen, zum muslimischen Glauben überzutreten, und stellten ihm ein Ultimatum: entweder zum Islam zu konvertieren oder sein gesamtes Vermögen an die Taliban zu übergeben.

Er sollte innerhalb eines Tages diese schwierige Entscheidung treffen, und dazu einen verbindlichen Vertrag unterschreiben. Das war für ihn eine große Versuchung. Er dachte, „Wie kann ich alles verlieren, für das ich gearbeitet habe? Womit kann ich für meine Familie sorgen?“

In einer solchen Situation kann man aus Verzweiflung über die Zukunft einfach den Glauben abgeben. Er war verzweifelt. Aber am gleichen Tag hatte er einen Traum, in dem Jesus ihm Mut machte. Als er von diesem Traum aufwachte, hörte er eine Stimme, die ihm sagte, nimm deine Bibel und lese! Er wusste aber nicht, welche Stelle er lesen sollte. Dann hörte er von der Stimme weiter: Öffne einfach die Bibel und lese!

Als er die Bibel öffnete, da war vor ihm die Verse: „Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das Wort, das der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.“ (Lk 22,61f).

In diesem Augenblick, kam über ihn eine Kraft und eine Entschiedenheit, die er nicht erklären konnte. Da konnte er sich für Jesus entscheiden, auch wenn er alles andere verliert – seine Arbeitsstelle, seine Bankkonten, sein gesamtes Vermögen. Es blieb ihm nur noch sein Vertrauen zu Jesus, seine Frau, zwei Kinder, und seine kranken Eltern. In diesem Umstand ist er mit seiner Familie nach Italien gekommen.

Nach 14 Jahren erzählt mir dieser Mann, dass er so viel Liebe von Jesus erlebt hat, dass er nicht wusste, wie er ihm genug danken sollte. Er erzählte diese Erfahrung voller Begeisterung und Dankbarkeit. Man sieht in seinen Augen Tränen der Freude und bekommt seine Geschichte als ein überzeugtes Zeugnis für den Herrn!

Liebe Schwestern und Brüder, wichtiger für uns ist die zweite Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“

Was wäre deine Antwort darauf? Was möchtest Du den anderen über deine persönlichen Begegnungen und Erfahrungen mit Jesus erzählen? Was erzählst du ihren Kindern und Enkelkindern, ihren Freunden; was erzählst du der Welt über Jesus, aus der Überzeugung eigener Erfahrung mit ihm?

Das wäre das wichtigste Zeugnis, das jeder von uns, das überzeugende Zeugnis, das ich für Jesus ablegen kann.

Immer wenn ich als Priester bei der Eucharistiefeier nach dem Hochgebet den Leib und das Christi erhebe und akklamiere: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt!“ fragt mich Jesus leise: „Du aber, für wen hältst du mich?“

Dabei erwartet er meine persönliche Antwort – nicht das Dogma der Kirche oder die Lehre der Theologen. Nein! Eine Antwort aus meiner persönlichen Überzeugung.

Wenn wir zur Kommunion kommen und hören: „Der Leib Christi!“ Da fragt Jesus jede und jeden von uns: „Du aber, für wen hältst du mich?“  



Evangelium vom 21. Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr B